Diese Gruppe umfasst alle mehr oder minder tief dunkel gefärbten, meist schwach gehopften und niedrig vergorenen Biere. Sie hießen Einfachbier, Malzbier, Weizenbier, Broyhan oder Werdersches Bier. Als Einfachbiere galten die leicht eingebrauten Biere mit 4 - 7% Stammwürze; sie bildeten die Hauptmasse der obergärigen Biere überhaupt. Teilweise wurden sie von den Kunden als s.g. Frischbiere in Eimern und anderen Gefäßen in der Brauerei abgeholt, aber auch durch Brauereifahrzeuge durch Stadt und Land gefahren und literweise an die Kundschaft verkauft. Die Kunden füllten es mit oder ohne Wasserzusatz auf Flaschen; nach 1-2 Tagen erreichte es dann "Trinkreife". In den Wirtschaften wurden diese Biere oft nach Zusatz von Kräusen ausgeschenkt. Zur Herstellung dieser leichten Biere verwendete man die Nachgüsse, die man mit Zucker versetzte, um der Hefe mehr vergärbare Zucker anzubieten. Als leichteste Nachgussbiere fanden sie unter dem Namen "Kofent" Absatz. Neben Diesen existierten noch eine Reihe stärkerer Biere mit 7 - 9% bzw. 10 - 12% Stammwürze. So z.B. "Hannoversch Broihan", ein Weizenmalzbier mit 7 - 9% Stw. gewürzt mit Nelken, Anis, Zimt etc. oder " Werdersches Bier", das Braunbier der Kretschmerbrauereien in Breslau. Weitere waren die in Ost- und Westpreussen hergestellten Biere. Sie alle waren meist schwach vergoren und tief dunkel gefärbt. Oft gab es im Sommer zur Erntezeit ein "Erntebier", das stark eingebraut und stark gehopft war. Meist wurde es aus Gerstenmalz und bis zu 20% Zucker hergestellt. Die Gärung erfolgte in Fässern oder Bottichen von bis zu 80 Hektolier Inhalt. Die Gärung dauerte 2 - 3 Tage bei 15 - 18°C. In kleineren Fässern betrug die Gärtemperatur 20 - 22°C. Die Fässer lagen wärend der Hauptgärung schräg und wurden, nachdem die Hefe abgeschöpft war, aufgerichtet und gespundet. Die kurze Nachgärung dauerte 1 - 2 Tage, die längere Nachgärung 8 - 10 Tage. Der scheinbare Vergärungsgrad all dieser Biere betrug lediglich 35 - 40%. Die Hefen waren meist Gemische aus hoch- und niedrigvergärenden Rassen. Besonders bekannt war der "Typus Saaz" als niedrigvergärende Hefe. Manche Hefen stellten bereits bei um die 30% scheinbarem Vergärungsgrad ihre Gärtätigkeit ein. Im Gegensatz zu den damaligen untergärigen Hefen war man mit diesen Hefen in der Lage, gerade auch stark eingebraute Biere mit niedrigem Alkoholgehalt herzustellen, ohne dass der Hefe durch künstliche Eingriffe die Gärtätigkeit unterbunden wird. Um 1900 erlangt das zuckergesüsste Malzbier ( Karamelbier ) grosse Beliebtheit. Hierbei wurde dem Einfachbier nach vollendeter Bottichgärung Zucker zugesetzt und auf Flaschen abgefüllt. Nach kurzer "Triebbildung" ( Nachgärung ) wurde dann pasteurisiert. Nach kurzer Zeit wünschten die Kunden hefefreies, blankes Malzbier. Ohne Filtration, nur mit kalter Lagerung und ohne Pasteurisation, erreichte man trotz des Zuckerzusatzes eine Haltbarkeit von 8 - 10 Tagen.
Das Lichtenhainer Bier war leicht, säuerlich und hell. Durch die Verwendung von Rauchmalz hatte es ein besonderes Aroma. Die Kochzeit der Würze war nur kurz und die Bittere ganz schwach. Es war ein beliebtes Getränk der studentischen Jugend.
Die Gose soll nach dem im Harz entspringenden Flüsschen Gose benannt sein und ihren Ursprung in Goslar haben. Charakteristisch für die Gose war der salzig / aromatische Geschmack, der durch Zugabe von Kochsalz und Gewürzen erreicht wurde. Neben Gerstenmalz wurde auch Hafer- und Weizenmalz eingesetzt. Die Gose wurde als Jungbier an die Wirte ausgeliefert und gärte in den Fässern kräftig nach. Das noch kräftig gärende Bier wurde dann auf lange, enghalsige Flaschen abgefüllt. Im engen Flaschenhals sammelte sich mehr und mehr Hefe an und bildete einen natürlichen Pfropfen, der hart wurde, die Flasche verschloss und Kohlensäure im Bier anreichern ließ.
Einst gab es Zeiten in welchen das Weizenbier in Bayern und im Norden ( Schlesien ) hoch geschätzt und allen anderen wegen seines lieblichen Geschmackes vorgezogen wurde. Die Herstellung bedurfte der kurfürstlichen Genehmigung und das Hereinfluten des weißen Bieres aus Böhmen führte zur Errichtung zahlreicher Brauereien. Selbst Herzog Wilhelm IV. errichtete in München eine Weißbierbrauerei, um vom Trend zu profitieren. Die Zeit des untergärigen, braunen, aus Gerstenmalt gebrauten Bieres war noch nicht gekommen und das obergärige, braune Bier wurde verschmäht. Das weiße Weizenbier wurde jahrhundertelang im Norden, vornehmlich Schlesien, bevorzugt. Es wurde dann jedoch vom qualitativ hochwertigeren brauen Bier mehr und mehr verdrängt. Kleinere Brauereien fanden eine Nische in der Herstellung von stark gehopftem Weißbier aus Gersten- und Weizenmalz. Um den gewünschten, hohen Kohlensäuregehalt zu erreichen, wurde das vergorene Bottichbier vor der Abfüllung mit etwas Vorderwürze versetzt. Künstliche Klärung mit Hausenblase verlieh dem Bier den erwünschten, feurigen Glanz.
Deutsche Kolonisten sollen im 13. Jahrhundert auch ihre Braumethode mit nach Grätz gebracht haben. Eine weitere Einwanderungswelle von Böhmen her im 15. Jahrhundert brachte weitere Braukunst nach Grätz. Das Grätzer Brauwasser hatte einen hervorragenden Ruf und man produzieret ein weit und breit berühmtes Bier aus 100% Weizenmalz. Das Bier hatte einen ausgeprägten rauch- und hopfenbitteren Geschmack. Die Hopfengabe betrug
3 kg pro 100 kg Schüttung. Seiner Beliebtheit war es zuzuschreiben, dass nicht allein in Grätz, sondern auch in einer Reihe von Städtender früheren Provinz Posen und Westpreußen Grätzer Bier gebraut wurde. In den Jahren von 1890 bis 1900 wurden allein in Grätz mehr als 100.000 hl hergestellt. Das Weizenmalz wurde mit Eichenholz geräuchert, dass während der gesamten Darrzeit als direktes Rauchgas die obere und untere Horde durchzog. Die generell eiweißreichen Weizensorten der Region mussten sehr intensiv vermälzt werden, um eine ausreichende Lösung des Mehlkörpers zu erreichen; die Darrzeit betrug 36 bis 48 Stunden, um den vollen Rauchcharakter bei der gegebenen, niedrigen Stammwürze zu erreichen. Die Stammwürze des Grätzer Bieres lag bei ca. 7%. Der Vergärungsgrad war niedrig und die Gärung stoppte nach 3 Tagen bei einem Es% von 3,5 - 3,0 . Die Gärtemperatur betrug 15 - 18 °C. Das Jungbier war durch den hohen Eiweißgehalt des Weizenmalzes sehr trüb und musste, da eine Lagerkellerbehandlung nicht stattfand, mit Hausenblase geklärt werden. Beim Umfüllen auf Versandgefäße erhielt das Bier noch einen geringen Kräusenzusatz um die Nachgärung in der Flasche zu ermöglichen. Die eingesetzte Hefe war niedrigvergärend und hatte starke Flockulationseigenschaften. Diese Hefeeigenschaft wurde durch den Eiweißreichtum bei gleichzeitiger Armut an vergärbaren Zuckern der Würze erreicht. Die Kräusen waren sehr intensiv und man erreichte in einem 60 hl Bottich eine Kräusenhöhe von bis zu
1 Meter. Das Grätzer Bier wurde ausschließlich im Infusionsverfahren hergestellt. Mit zunehmender Lagerzeit bildete sich ein feines, apfelartiges Aroma. Die Spundung war hoch und es wurde in hohen Spitzgläsern ausgeschenkt.
Die obergärigen, hopfenbitteren Lagerbiere um 1900 sind die Vorläufer des heutigen Kölsch. Sie waren hochvergoren und hatten einen starken Hopfengeschmack ( Hopfengabe ca. 400 - 600 g / hl ). Es ähnelte dem englischen, hell - bitteren Bier, ( dem bitteren Ale ), war allerdings schwächer eingebraut. Es wurde mittels Infusionsverfahren hergestellt. Um das Hopfenaroma auszuprägen, wurde mit 30 - 50 g / hl aufgebrühtem Hopfen nachgehopft. Die Gärung verlief bei 9 - 13 °C und dauerte ca. 7 Tage; die Lagerzeit betrug 2 - 3 Monate bei 5 - 7 °C. Es wurde bei der Lagerung nicht gespundet, da es ohne Schaum ausgeschenkt werden sollte. Dieses Spezialbier wurde von kleineren Brauereien im Stadtbereich von Köln, meist mit eigenem Wirtschaftsbetrieb hergestellt und vertrieben. Der Stammwürzegehalt des klassischen "Kölnischen Obergärigen" betrug 8 - 9 %; wurde aber aus steuertechnischen Gründen Anfang 1900 auf mindestens 11 % erhöht.
Einen Typ von ganz besonderer Art , der sich in den Begriff "Bier" eigentlich nicht einordnen ließ, stellte das "Danziger Jopenbier" dar ( Jope = Schöpfkelle ). Es hatte einen Extraktgehalt von unglaublichem 45 - 55 %. Jahrhundertelang konnte das Jopenbier seinen weltruf wahren, denn es wurde nicht nur innerhalb, sondern mehr noch ausserhalb der Stadtgrenzen geschätzt. Große Mengen gingen vom Ostseehafen nach England und Holland, wo es zur Bereitung von Suppen und Saucen Verwendung fand. Im Jahre 1891 beispielsweise betrug der Export von Danziger Jopenbier über 5000 Hektoliter. Im Inland wurde es weniger zum Kochen, als vielmehr als Kräftigungsmittel , beispielsweise als Zumischung zu normalem Bier, eingesetzt.
Die Herstellung verlief folgendermaßen:
Die Maisch- und Läuterarbeit war wie bei normalen Bieren, die Hopfengabe betrug 700 - 800 g/hl. Die Kochzeit allerdings war extrem lang und betrug bis zu 10 Stunden. Manche Brauereien trennten auch die Vorderwürze und die Nachgüsse und kochten in zwei Pfannen. Die Kühlung erfolgte ausschließlich auf dem Kühlschiff. Gebraut wurde darum nur von September bis Mai. Nur in den Wintermonaten kühlte sich die Würze auf dem Kühlschiff schnell genug ab und war weitgehend vor Verderb geschützt. Ungewöhnlich waren die Gärkeller. Es waren Schuppen, die sich an Wänden und Boden mit Schimmel überzogen hatten. Dieser Schimmelrasen durfte nicht entfernt werden. Er galt als der Hausgeist, der die spontane Gärung hervorruft und dem Bier seine dem Portwein ähnliche Prägung verlieh. Ungewöhnlich war der Verlauf der Gärung, die sich in einer Reihe verschiedener Phasen vollzog. In der ersten Phase überzog sich die Würze, in die keine Hefegabe erfolgte, mit einer weißen Schimmelschicht, die innerhalb von 2 - 3 Wochen in grün / blau überging. Dann entwickelten sich Gärblasen, die begannen, die Schimmeldecke zu heben. Jetzt wurde die Decke abgehoben und die Gärung verstärkte sich. Der Bottich wurde dann mit einem Deckel, in dessen Mitte ein Loch war, und der mit einer umlaufenden Rinne versehen war, verschlossen. Die nur halb gefüllten Bottiche schäumten während ca. 14 Tagen stark über und das überlaufende Bier wurde in Wannen gesammelt und zurückgeschüttet. Die Nachgärung im Bottich dauerte weitere 2 - 4 Wochen, dann kam die Gärung zum Stillstand und das Bier überzog sich wieder mit einer grünlichem Schimmeldecke. In diesem Zustand blieb das Bier nun, je nach Absatzentwicklung, bis zu 1 Jahr liegen. Vor dem Verkauf wurde es durch Säcke filtriert und üblicherweise auf 13 Litzer Fässer abgefüllt. Lange war die Gärung ein Mysterium. Erst E. Glimm vermochte eine Klarstellung der für die Gärphasen verantwotlichen Mikroorganismen zu erarbeiten. Die Gärungsorganismen waren Penicillium und Mucor Schimmelpilzstämme, sowie unter- und obergärige Saccharomyces Hefen, Weinhefen und Kahmhefen. Weiterhin waren Milchsäurebakterien enthalten, die im Jopenbier bis zu 2% Milchsäure bildeten. Die estrige Note wurde durch die Schimmelpilze und Kahmhefe verursacht.